SB-Bäckereien: Discount statt Handwerk
Im Februar 2001 startete in Düsseldorf die weltweit erste SB-Bäckerei unter dem Namen „BackWerk“ und revolutionierte damit die Bäcker-Branche. Der traditionelle Backwaren-Markt wurde aufgebrochen und ein Prozess hin zum Discount in Gang gesetzt, der in anderen Branchen schon längst eingesetzt hatte. Das bundesweite öffentliche Interesse machte schnell klar, dass es sich hier um eine der interessantesten Handelsinnovationen des neuen Jahrtausends handelte. Die Idee wurde rasch von zahlreichen anderen Unternehmen aufgegriffen, die sich zum Beispiel Backfabrik, Backfactory, Mr. Baker oder Baking Friends nannten, und zu einer rasanten bundesweiten Verbreitung der SB-Bäckereien führten. Mittlerweile gehört der immer noch junge Betriebstyp fest zum Bild in den meisten deutschen Großstädten.
Die SB-Bäcker-Branche
Nach der Goldgräberstimmung der ersten Jahre ist es in der Branche ruhiger geworden. Insbesondere nach dem schnellen Wachstum der Jahre 2003 bis 2005 mit Zuwachsraten von bis zu 400 neuen SB-Bäckereien pro Jahr trennt sich in der Branche derzeit die Spreu vom Weizen. Aus Sicht der Kunden entstand zunächst eine Vielzahl austauschbarer Verkaufsstellen mit ähnlichem Angebot. Viele der Unternehmen erreichten dabei schon bei 10 bis 12 Geschäften eine kritische Wachstumsschwelle. Hinzu kamen Kostensteigerungen und krasse Fehlentscheidungen bei der Standortwahl, die gerade im Einzelhandel erfolgsentscheidend ist. Gestärkt gingen aus der Phase des schnellen Wachstums der Marktführer BackWerk mit inzwischen über 140 Filialen und die Harry-Brot-Tochter Backfactory hervor, die sich als einzige bundesweit operierende SB-Bäckerei-Ketten etablieren konnten. Im gleichen Zeitraum zogen sich die großen Bäckereifilialisten wie Kamps, Siebrecht oder Junge aus dem SB-Bäckermarkt zurück.
Die 20 größten SB-Bäcker-Ketten – überwiegend Tochtergesellschaften von Großbäckereien – vereinigten Anfang 2007 etwa 600 Filialen mit einem Gesamtumsatz von circa 200 Millionen Euro pro Jahr auf sich. Knapp ein Drittel entfiel dabei auf den Marktführer BackWerk, ein weiteres Viertel auf die Harry-Brot-Tochter Backfactory. Der übrige Umsatz verteilt sich auf die restlichen 18, meist regionalen Systeme. Bis zum Jahr 2010 werden von Branchenkennern über 2.000 SB-Bäckereien in Deutschland erwartet.
Rang | SB-Bäckerei | Anzahl Filialen |
---|---|---|
1 | BackWerk | ca. 130 |
2 | Backfactory | ca. 90 |
3 | Middelberg Baking Friends | ca. 70 |
4 | Mr. Baker | ca. 50 |
5 | Billy-Back | ca. 35 |
Quelle: BackBusiness, Stand: März 2007
Schrecken der Handwerksbäckereien
Das Prinzip der SB-Bäckereien ist zunächst einfach: es werden alle Backwaren direkt im Geschäft laufend frisch gebacken und in die Regale gelegt. Hinter Glas geschützt liegen frisches Brot, Brötchen, Gebäck, Kuchen, belegte Brötchen und Snacks aus. Die gewünschte Ware wird mit den bereitliegenden Zangen auf ein Tablett gelegt, an der Kasse bezahlt und in Tüten verpackt. Die Preise sind äußerst günstig. So liegt der Einstiegspreis für ein Brötchen mit 12 Cent mehr als die Hälfte unter dem Durchschnittspreis des deutschen Bäckerhandwerks.
Im Handwerk müssen dagegen über 700 Backstuben pro Jahr für immer ihre Öfen abstellen. Unabhängige Schätzungen gehen davon aus, dass jedes dritte Bäckerei-Fachgeschäft inzwischen rote Zahlen schreibt und sich die Zahl der Handwerks-Bäcker in den nächsten fünf Jahren um weitere 5.000 reduzieren wird. Das Backhandwerk insgesamt konnte die katastrophalen Umsatzeinbußen von etwa 12 Prozent in den Jahren 2002/2003 bislang nicht kompensieren. Die meisten Umsatzverluste gehen dabei auf das Konto der Discounter (LEH und SB-Bäckereien). Frische, Qualität und sehr günstige Preise können Handwerksbetriebe heute nicht mehr gleichzeitig bieten.
Franchising mit SB-Bäckereien
Der Marktführer BackWerk setzte als herstellerunabhängige SB-Bäckerei-Kette frühzeitig auf Franchising. Bis heute ist das Unternehmen das einzige vom Deutschen Franchise-Verband anerkannte und zertifizierte Franchisesystem der Branche. Andere Systeme setzen vor allem auf Pacht- (zum Beispiel Backfactory) oder Lizenzmodelle (zum Beispiel Mr. Baker). Der selbstständige Unternehmer vor Ort spielt also in der SB-Bäckerbranche eine wichtige Rolle.
So fanden zahlreiche Quereinsteiger, denen der Branchenzutritt bisher durch die Handwerksordnung verwehrt wurde, den Zugang zu dieser attraktiven Branche mit hohen Margen. Sie gilt zudem weitgehend als krisensicher, denn gegessen wird immer. Die Erfolgsfaktoren der SB-Bäckerei-Gründer sind neben ihrer unternehmerischen Tugenden vor allem der dauerhafte Zugang zu attraktiven Einkaufskonditionen ohne kostspielige Bindung an einen oder wenige Hersteller sowie das Mithalten mit den sich rasch weiter entwickelnden Verkaufskonzepten der noch jungen Branche. Da immer noch zahlreiche Lagen nicht oder nur schlecht besetzt sind, werden SBBäckereien auch in den nächsten Jahren zu den Wachstumsbranchen gehören.
Quelle: Gründung & Franchising 2007/2008; Erfolgreich Selbstständig; BusinessVillage Verlag; ISBN-13:978-3-938358-65-8