Unterricht und Weiterbildung

Der private Bildungsmarkt in Deutschland – allein etwas für Pädagogen?
Die Stiftung Warentest hatte schon im Sommer 2002 über 35.000 Anbieter und über 400.000 Produkte im privaten Bildungsmarkt identifiziert. Nicht zuletzt durch Einsparungen der Länder und des Bundes verringerten sich in den letzten Jahren die Fähigkeiten der öffentlichen Hand, ihren Aufgaben in Hinblick auf das Bildungswesen gerecht zu werden weiter. Auf der anderen Seite führt eine gezielte Politik zur Öffnung des Bildungssektors für den Markt: Schon 1994 wurde im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO das General Agreement on Trade in Services (GATS) geschlossen, das den freien Handel mit Dienstleistungen regelt. Das GATS, dem die EU beigetreten ist, verpflichtet alle Mitgliedsstaaten, ihren Dienstleistungssektor – und dazu gehört laut GATS auch der Bereich Bildung – für den freien Handel und den internationalen Wettbewerb zu öffnen. Kein Wunder also, dass der private Bildungsmarkt vielen als eine moderne Goldgrube erscheint. Zeitungen titeln etwa mit dem „boomenden Nachhilfemarkt“, um die Situation zu beschreiben.

Erfahrene Franchise-Geber
Deshalb ist es nur folgerichtig, dass sich auch im privaten Bildungsmarkt Franchise- Systeme etabliert haben. Diese sind zum einen im Bereich „Nachhilfe“ aber auch in der „Erwachsenenbildung“ etabliert. Gerade im Nachhilfemarkt gibt es einige Anbieter, deren Erfahrungen als Franchisegeber mehr als zwei Jahrzehnte zurückreichen: Schülerhilfe und Studienkreis sind Beispiele dafür. Beide Unternehmen umfassen jeweils mehr als 1.000 Niederlassungen, die sich zum Teil in der Hand von Franchise-Nehmern befinden, zum Teil durch die Zentralen selbst geführt werden. Die beiden Unternehmen finden sich seit Jahren immer wieder in den TOP-20 Franchise-Hitlisten wieder.

Stark differenzierter Markt
Das Geschäft mit der Nachhilfe vollzieht sich auf einem stark differenzierten Markt. Auch wenn wenig verlässliche Zahlen vorliegen, so schätzt der Verband der Nachhilfe- und Nachmittagsschulen (VNN e.V.), dass circa 70 Prozent der Nachhilfe von privaten Anbietern, wie Schülern, Studenten oder Lehrern, erteilt wird. Damit sind circa 30 Prozent des Marktes in der Hand institutioneller Anbieter. Unter den Instituten selbst gibt es eine Vielzahl von Kleinanbietern, die eine oder mehrere Schulen selbstständig führen. Daneben etablieren sich zunehmend sogenannte Nachhilfe-Ketten, von denen etliche als Franchise-System geführt werden. Die Auswahl reicht dort von regionalen Anbietern mit weniger als zehn Franchise-Nehmern bis zu den großen Systemen mit über 1.000 Nachhilfe-Schulen.

Gesamtumsatz
Einer Studie der Zeitschrift „Focus Schule“ aus dem Jahr 2005 zufolge werden auf dem Nachhilfemarkt jährlich zwei Milliarden Euro umgesetzt. Der VNN geht in seiner Betrachtung von einer Milliarde Euro Umsatz auf dem Gesamtmarkt aus. Demzufolge läge der Gesamtumsatz der institutionellen Nachhilfe nach Schätzungen des VNN bei 360 Millionen Euro. In der privaten Nachhilfe würden somit rund 640 Millionen Euro am Fiskus vorbeiverdient.

Jeder fünfte Schüler
Bundesweit erhält laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW, 2004) jeder fünfte Schüler zwischen 11 und 17 Jahren Nachhilfe, in Jahrgangsstufe neun ist es sogar jeder dritte. Laut Shell-Jugendstudie 2006 benötigt sogar jeder vierte Schüler aktuell Unterstützung nach der Schule. Das sind Jahr für Jahr über 2 Millionen Kinder. Die unterschiedlichen Zahlen resultieren daraus, dass die Erhebung der Daten nicht ganz einfach ist: Denn neben Hausaufgabenhilfen und professionellen Nachhilfeschulen können auch Nachbarkinder, befreundete Lehrer und Studenten in schulischen Krisenzeiten unter die Arme greifen. Jede Studie entwickelt daher zunächst ihre eigene Definition von Nachhilfe.

Standortfaktor entscheidet
Der Nachhilfemarkt enthält – bedenkt man den großen Anteil an privater Initiative – ein enormes Wachstumspotential. Dabei ist jedoch der Standortfaktor entscheidend: In den östlichen Bundesländern ist es zum Beispiel durch die Abwanderung von Familien zu vermehrten Schulschließung gekommen. Zudem verfügen die verbleibenden Familien oft nicht über die Mittel, Nachhilfe zu finanzieren. Aus diesen Rahmenbedingungen lässt sich der große Unterschied an Inanspruchnahme von Nachhilfe zwischen östlichen (11 Prozent) und westlichen Bundesländern (25 Prozent) erklären.

Tendenz: Qualitätssteigerung
In den letzten Jahren gibt es vermehrte Bemühungen der Nachhilfe-Anbieter, ihre Qualität durch externe Stellen überprüfen zu lassen. Dabei arbeiten die beiden Systeme Studienkreis und Schülerhilfe mit dem TÜV Rheinland beziehungsweise TÜV Nord zusammen. Einige kleinere Anbieter haben sich zur RAL-Gütegemeinschaft zusammengeschlossen. Diese Entwicklungen werden vom VNN unterstützt.

Aufgaben der Franchise-Nehmer
Die Aufgaben der Franchise-Nehmer umfassen vor allem den Aufbau und die Organisation einer Nachhilfe-Schule, die Bewerbung des Angebotes, Schul- und Multiplikatorenkontakte, die Auswahl und Koordination der Lehrkräfte und die Beratung der Eltern. Zum Teil unterrichten Franchise-Nehmer je nach Ausbildung und Komplexität des Angebotes selbst in ihren Schulen. In der Regel wird diese Rolle aber an Honorarkräfte übertragen.

Fazit
Viele Franchise-Systeme im Bereich „Unterricht und Weiterbildung“ sind derzeit auf der Suche nach geeigneten Franchise-Nehmern. Dabei müssen diese nicht unbedingt pädagogisch vorgebildet sein. Häufig sind Franchise-Geber genauso stark oder sogar stärker an betriebswirtschaftlich ausgebildeten Partnern interessiert. Aufgrund der inhaltlichen Nähe zur Pädagogik sollte jedoch ein gewisses Interesse an dem Tätigkeitsfeld vorliegen.
 

Quelle: Gründung & Franchising 2007/2008; Erfolgreich Selbstständig; BusinessVillage Verlag; ISBN-13:978-3-938358-65-8

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